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Über Stuttgart
Um Stuttgart zu verstehen muss man seine wahre Größe begreifen, denn die Oper, der VfB, die Läden auf der Königstraße und der Hauptbahnhof leben nicht nur von den Bewohnern innerhalb der Stuttgarter Grenzen sondern auch von jenen im Vorstadtgürtel. Der Stuttgarter Hauptbahnhof ist auch der Hauptbahnhof der Gerlinger und der Echterdinger. In der Oper sitzen Kornwestheimer und im Stadion Esslinger. Die meisten Großstädte haben eine politische und eine reale Stadtgröße. Entscheidend für Gewicht, Infrastruktur und Planung wäre eigentlich die reale Einheit. Das ist jene, so wie man die Stadt aus der Vogelperspektive sieht, frei von Ortsschildern.
Schauen wir in die 70er-Jahre zurück, wo in vielen Regionen Deutschlands Flächenreformen stattgefunden haben. Damals hat Köln eine Menge bis dahin eigenständiger Städte eingemeindet und ist heute eine Millionenstadt. Städten wie Frankfurt, Düsseldorf und Stuttgart wurde dies nicht zuteil. Sind sie deshalb viel kleiner? Nein sind sie nicht. Man muss eben immer den Stadtkomplex betrachten, was leider bei viel Kirchturmdenken zu kurz kommt. So haben wir heute Stadtverhältnisse, die es schwermachen, vernünftige und vorausschauende Politik zu betreiben, wie beispielsweise bei großräumigen Verkehrslösungen. Eine gescheite Stadtplanung für die Bürgerschaft der realen Stadt (Groß-Stuttgart) kann also kaum betrieben werden. Es gibt oftmals zu viele Rathauschefs und Kreisfürsten auf engem Raum. Das „Stuttgarter Drama“ wird schon am Beispiel Flughafen deutlich. Meiner Vermutung nach haben wir weltweit den einzigen, der auf dem Boden von vier verschiedenen Städten liegt. In unserer Millionenstadt wird jede grenzübergreifende Entwicklung zum Politikum, was letztendlich allen abträglich ist.
Wie sieht es speziell in Stuttgart aus? Von knapp 620.000 Einwohnern lebt ungefähr ein Drittel in den Innen- und zwei Drittel in den Außenbezirken. Dies ergibt die politische Stadt Stuttgart. Mit der Vorstadtkette die noch einmal so viel Einwohner wie Stuttgart selbst hat zählt die reale Stadt ca. 1,2 Millionen Einwohner, die eigentliche Metropole. Die sogenannte Region Stuttgart soll hier nur am Rande erwähnt sein, denn sie ist ein politisch-theoretisches Konstrukt von Stuttgart und benachbarten Landkreisen. Dazu gehören auch Orte wie Schopfloch auf der Alb oder Murrhardt im Schwäbischen Wald. Die haben mit der Metropole aber nichts zu tun, auch wenn dort ein paar Pendler leben mögen. Interessanter ist der Verdichtungsraum, einer der größten Deutschlands, denn dazu gehört beispielsweise auch die Großstadt Reutlingen. Zwischen den äußeren Stadtgrenzen Reutlingens und Stuttgarts liegen gerade mal 20 Kilometer Luftlinie. Auch Pforzheim und Heilbronn (rund 30 Kilometer) gehören durch den dichten Flickenteppich an Ortschaften dazu. So kann man die Stadt wie die Jahresringe eines Baums lesen.
Stuttgart tut gut daran, bei seinen Planungen immer auch die Menschen im Umfeld der Stadt mit einzubeziehen, denn sie sind ein Teil unseres Alltagsleben. Zum Beispiel den Autoverkehr unattraktiv zu machen, erscheint heute als politisch korrekt, doch so lange der ÖPNV stellenweise keine adäquate Alternative darstellt, muss man überlegen, ob man Besucher aus dem Umland nicht mehr in der Stadt haben will. Dies schädigt Einzelhandel, Gastronomie und Kultur.
- Kernstadt: Gemeinde Stuttgart
- Vorstadt: Eigenständiger Ort, der direkt oder über einen anderen mit Stuttgart zusammengewachsen ist.
- Groß-Stuttgart: Zusammenhängendes Stadtgebiet (Kernstadt und Vorstädte)
Ich möchte betonen, dass der Begriff Vorstadt in keiner Weise despektierlich gemeint ist. Es ist lediglich eine Zustandsbeschreibung für einen selbständigen Ort der heutigen Metropole außerhalb der Gemeindegrenzen Stuttgarts.
Groß-Stuttgart, das zusammenhängende Stadtgebiet, hat nichts mehr mit den Siedlungsverhältnissen von vor hundert Jahren zu tun, als viele der Orte kilometerweit auseinander lagen, welche heute eine Einheit darstellen, mal kompakt und mal lose zusammengewachsen. Die Vorstädte sind selbst nicht mehr dieselben wie einst und haben ihrerseits oft selbst kleinere Orte eingemeindet. Oeffingen und Schmieden wurden Teil von Fellbach oder Eltingen von Leonberg. Andere Orte sind in künstlichen Konstrukten aufgegangen wie Bernhausen oder Münchingen. Insofern hat sich die Stadtlandschaft immer wieder verändert und neu geordnet. Die letzten Gemeindereformen sind allerdings fast fünfzig Jahre her, die größte Neuordnungspause der neueren Zeitrechnung in unserem Ballungsraum. Dabei wären sie so dringend, denn es stehen gewaltige Herausforderungen an, vergleichbar mit dem Gewicht der einst um sich greifenden Industrialisierung. Ganz emotionslos betrachtet leisten wir uns eine teure zergliederte Verwaltung für eine gemeinsame Millionenstadt, die von rund zwanzig Rathäusern aus regiert wird. Das ist ganz wertungsfrei die Realität. Auch sonst im Ländle wären aus heutiger Sicht neue Grenzziehungen nötig, egal ob es sich um Stadt- oder Landkreisgrenzen dreht.
Ob ein Ort Vorstadt oder Stadtteil ist, ist zweitrangig. Vorstädte können eine große Geschichte, eigenständige Profile und ein großes Ortsverständnis haben, genauso wie Stadtteile auch. Stuttgart-Bad Cannstatt, Hamburg-Altona oder München-Schwabing haben ihre großen Namen behalten, obwohl sie heute nur noch Stadtteil sind. Selbiges gilt für Sachsenhausen, Köpenick oder Deutz. Eingemeindungen oder Fusionen schaden einem Ortscharakter nicht. Ein Stadtteil hat sogar manchmal den Vorteil, Anteil eines prominenten Ortes zu sein, was zum Beispiel der Hotellerie und Gastronomie am Ort Pluspunkte verschaffen kann. Außerdem fällt die kommunale Konkurrenz weg, die leider oft zu schlechten Einzelhandelsverhältnissen geführt hat, indem man viele große Geschäfte auf der grünen Wiese angesiedelt hat, um nur ja die Kaufkraft im Ort zu belassen. Unterm Strich haben darunter aber nahezu alle Ortszentren gelitten.
Eingemeindung ist hier ein böses Wort. Jeglicher Gedanke in diese Richtung wird schnell niedergebügelt wegen vordergründig heimatlicher Gefühle. Im Grunde genommen geht es aber um viele politische Posten in Rathäusern, Stadtteilverwaltungen und Landratsämtern. Das ist der wahre Hintergrund. In der Schweiz oder in den Niederlanden ist man da deutlich pragmatischer. In der Steiermark hat man die Kommunen in wenigen Jahren halbiert, weil die Überverwaltung zu teuer geworden war.
Ich bleibe mit dieser Website aber bis auf das Thema Verkehr innerhalb der Stuttgarter Grenzen, was thematisch alleine schon eine Menge zu bieten hat. Die Stadt fasziniert mit ihren Höhen- und Landschaftsunterschieden. Stuttgart hat die Innen-, Filder-, Nord- und Neckarbezirke. Man lebt in fünf Talkesseln (Uhlbach, Botnang, Feuerbach, Innenstadt, Rohracker), im Strohgäu (Stammheim, Zuffenhausen, Weilimdorf) auf den Fildern, im Neckartal oder am Schurwald (Rotenberg). Diese Abwechslung an Lebensräumen hat sonst wohl kaum eine Metropole zu bieten. Mit und ohne Vorstädte ist Stuttgart ein grandioses Mosaik. Darin gibt es aber auch viel zu tun.
Die Idee, einer Idee, die durch eine Idee zur Idee wurde, dies ist die Idee hinter dieser Seite im Netz.
In der Stadt tut sich was. Ideen sprühen aus allen Ecken der Bürgerschaft und Ideen erzeugen stetig neue Ideen. Schlägt einer etwas zur Stadtgestaltung vor, animiert dies andere, sich ihrerseits mit dem Thema zu beschäftigen. Ganz wichtig dabei: Immer mehr Bürger begehren gegen die vorhandenen Entscheidungsstrukturen auf und wollen in ihrer Stadt mitbestimmen, sie mitgestalten. Von der Villa Berg zum Zukunftsforum Feuerbach, vom Garnisonsschützenhaus zum Aufbruch Stuttgart. Woher kommt diese Mischung aus Lust, Wut und Hoffnung? Hierfür gibt es sicher mehrere Gründe. Stuttgart 21 hat zum ersten Mal die Stuttgarter Bürger so richtig in Wallung gebracht und sicher vieles losgetreten, was vorher in Stoik und in Ohnmacht verharrte. Seitdem ist mächtig Bewegung im Kessel, wenn es darum geht, mit der Stadt pfleglicher umzugehen. In diesem Zug konnte das ehemalige Hotel Silber gerettet werden. Ecke Wagenburg-/Talstraße sollte ein prägnantes Siedlungshaus verschwinden. Der Aufschrei unter den Bürgern war so groß, dass man klein beigab. Auch wenn hier und da ein Neubau billiger als ein Abriss ist, muss man doch auch immer die optische Wirkung auf ein Quartier beachten. Es kann nicht immer um rein technische Überlegungen gehen. In einer Stadt, in der man oft allzu leichtfertig abgerissen hat, ist die Wehrhaftigkeit der Bürger ein wichtiges Zeichen. Leider bleiben sie aber meist ungehört. So verliert beispielsweise Zuffenhausen mit dem sogenannten Kommunistenblock eine sehr hübsche Facette an einer prägnanten Stelle.
Weiterhin haben bei der Sensibilisierung auch die Bücher eine Rolle gespielt, die in den letzten Jahren auf den Markt kamen und zeigen, wie schön die Stadt einmal vor dem Zweiten Weltkrieg war. Dies weckt Begehrlichkeiten in Sachen Ästhetik. Auch Kritiker des Investorenrennens sowie der Abrisse schöner Gebäude noch lange nach dem Zweiten Weltkrieg und der Ignoranz der Stadthistorie in Stadtverwaltung und Gemeinderat, haben die Stuttgarter über die Lokalpresse dafür sensibilisiert, nicht mehr alles an Ges(ch)ichtslosigkeit hinzunehmen. Zudem gibt es verschiedene Foren im Netz, in denen Ideen und alte Fotos ausgetauscht werden, in denen aktuell schöne und hässliche Seiten die Runde machen. Selbst im Bürgerhaushalt spiegelt sich der Wunsch nach einer schöneren, verkehrsverbesserten und ideenreicheren Stadt. Der Protest gegen den Tiefbahnhof war für einen Teil der Bevölkerung weit mehr, als nur die Konzeptionsfrage des Bahnhaltepunkts. Der Frust über die anonyme Architektur in Teilen der Stadt, über den laxen Umgang mit schönen Gebäuden und der Wegfall liebgewonnener Stuttgarter Ecken hatte sich über viele Jahre zuvor aufgestaut und im S21-Protest ein Ventil gefunden. Abrissfreudige Oberbürgermeister und Gemeinderäte haben über die Kriegsschäden hinaus ganze Arbeit geleistet. Was an Moderne nachkam, hatte meist wenig Wohlfühlcharakter. Das Europaviertel ist trotz einiger inhaltlicher Qualitäten der beste Beweis für seelenlosen Städtebau. Es gibt großflächig betrachtet aber auch schöne Bei-spiele für eine Moderne die zur Stadt passt, wenn man offenen Auges durch die Quartiere spaziert.
„Stadtverwaltung“ könnte man auch den Umgang der letzten Jahrzehnte mit dem Stadtbild nennen. Es wurde viel verwaltet und wenig gestaltet. Immerhin ist ein kleines Umdenken auch im Rathaus zu spüren. Einige schöne ehemalige Industrie- und Funktionsflächen verströmen heute wieder einen gewissen Zauber. Genannt seien beispielhaft der Travertinpark, das Schweinemuseum, das Stadtarchiv, die Wagenhallen und das Boschareal. Ein besonderes Juwel ist der Kulturpark Berg. Und natürlich dürfen auch die Cannstatter Kulturinsel, das Wizemann und das Theaterhaus nicht ungenannt bleiben. Genauso wichtig ist aber der Erhalt der vielen schönen Wohnhäuser, zum Beispiel durch Ensembleschutz. Das gilt sowohl für die historischen Stadtvillen an den Hängen wie auch für die alten Bürgerhäuser aus Gründer- und Jugendstilzeit.
Stadtgestaltung ist ein großes Thema, muss aber speziell in Stuttgart ein größeres Gewicht bekommen. Dabei geht es einerseits um die Gesamtanlage der Stadt, andererseits aber auch um die dringliche Ausdehnung, um Mobilitätskonzepte und darum, Stuttgarts Profil zu erhalten und durch neue Inhalte zu ergänzen. Vorbild könnte Wiesbaden sein, dass ein Viertel seiner Gebäude unter Denkmal- , beziehungsweise Flächenschutz gestellt hat, zum seinen Ortscharakter nicht zu beschädigen. In der Tat gibt es in der hessischen Landeshauptstadt viel Schönes, das erhaltenswert erscheint. Das träfe in Teilen aber auch auf Stuttgart zu. Leider fehlt im Rathaus aber der nötige Esprit, um eine positive Flächenvision zu entwickeln.
Wie groß ist die Stadt wirklich? Wer kennt die zwölf Schlösser der Stadt? Wer sieht die nötigen Zusammenhänge mit dem Umland? Warum fahren die „echten Touristen” an Stuttgart vorbei? Fehlt es den Hauptstadtschwaben an Selbstbewusstsein? Allein wenn man alle diskussionswürdigen Stuttgarter Themen auflisten würde, käme man schon zu dem Schluss, die Stadt ist eine Metropole, denn in eine kleinere Einheit passen so viele Dinge gar nicht hinein.
Die Verwaltung hat die Stadt lange klein gemacht, die Bürger haben es getan und auch manch Journalist. Viele Fakten sprechen dagegen, aber etwas klein zu machen war schon immer einfacher, zumal in einer puritanischen Gesellschaft. Die politische Ausschlachtung des Feinstaubs, ohne das Problem negieren zu wollen, hat der Stadt schweren Schaden zugefügt, denn nichts hält länger als ein negatives Image. Hinzu kommt ein entgleistes Bahnhofsprojekt, das immer wieder in einem Zug mit dem Berliner Großflughafen genannt und belächelt wurde. Der Flughafen funktioniert aber, was Stuttgart 21 erst noch beweisen muss. Der Kampf für und gegen das Auto und eine verweigerte Wohnungsbaupolitik; zumindest eine, die diesen Namen auch verdient, tun der Stadt auch nicht gerade gut.
Stuttgart gibt nach außen nicht gerade das Bild einer fröhlichen Kulturstadt ab, in der man gerne ausgeht und feiert. Das ist Stuttgart aber. Die Gastronomieszene ist enorm und die Kulturdichte ganz weit vorn in Deutschland. Das Marketing sollte weniger auf unsere Industrie verweisen, als auf die vielen tollen und lebenswerten Seiten der Stadt. Einst warb die Schwabenmetropole für ihre Lage zwischen Wald und Reben. Das ist schön, klingt aber sehr nach Kurort. Potenzielle Touristen suchen in einer Großstadt jedoch vor allem Großstadterlebnisse. Stuttgart muss mit seiner Größe punkten, mit seinem Gewicht, den Besonderheiten und mit seinen weichen Standortfaktoren. Die Stadt mit ihrer bunten Bürgerschaft ist eine der internationalsten Städte Deutschlands, noch vor den vier deutschen Millionenmetropolen. Sie ist über die letzten 30 Jahre gerechnet die viertsonnigste Großstadt der Republik und dem grauen Industriestadtimage zum Trotz arbeiten hier zwei Drittel der Erwerbstätigen im Dienstleistungssektor. Stuttgart ist Sitz vieler namhafter Unternehmen, wofür man gar nicht mal die beiden Automobilfirmen nennen muss. Solche Fakten müssen über das Marketing transportiert werden, um nach außen attraktiver zu werden. Dazu gehört auch die mehrfache Auszeichnung als nationale Kulturhauptstadt.
Was in der Stadt dabei aber meist untergeht, ist die Subkultur. Sie braucht hier dringend mehr Platz, da sie kreative Kräfte und alternative Besucher anzieht. Touristen machen Mund-zu-Mund-Propaganda in der Welt und genau die ist wichtig. So gerne man seitens der Stadt mit steigenden Übernachtungszahlen glänzt, zwei Drittel dieser Besucher sind Wirtschaftstouristen. Wenn ich das vergleichbare Frankfurt anschaue, das an Sehenswürdigkeiten nicht mehr bietet als Stuttgart, und wie viele Reisebusse dort Tag für Tag am Römer vorfahren, dann muss man resultieren, dass man hier etwas falsch gemacht hat. Über den „echten Tourismus“ wird das Image einer Stadt in die Welt transportiert. Eine begeisterte Reisegruppe zieht die nächste nach sich. Es geht dabei aber nicht in erster Linie um Übernachtungszahlen, sondern um unser Bild außerhalb der Region.
Immerhin ist der Internetauftritt gefälliger geworden. Die Startseite wurde mittlerweile deutlich verschönert, denn Negativnachrichten haben dort nichts verloren, wo sich Touristen überlegen Stuttgart zu besuchen, aber für mich gehören auf die Frontseite die Links zu Kultur, Übernachtungsmöglichkeiten, Stadtplan und Sehenswürdigkeiten.
Es ist aber nicht nur das Marketing, das nach außen wirken soll, sondern es sind auch die Bürger selbst, die ihre Stadt repräsentieren und sie widerspiegeln. Die Stuttgarter platzen nicht gerade vor Heimatstolz, was die eigentliche, von ihnen gefühlte Kleinheit der Stadtausmacht. Klassisches Beispiel gefällig? In jeder anderen Stadt würde man das Viertel um die Innenstadtschlösser Altstadt nennen. Schlossplatz, Schillerplatz, Karlsplatz, Stiftskirche, Oper, Markthalle und Wilhelmspalais: hier liegt die Keimzelle Stuttgarts. Dessen Bürger haben sie begrifflich jedoch einst abschätzig ins Rotlichtmilieu verlegt. Das Schlösserviertel ist jedoch viel größer als das Leonhardsviertel. So, wie die Bürger mit ihrer Stadt umgehen, so tun es auch die Verantwortlichen von Stadt und Land. Man betrachte den an sich prächtigen Schlossplatz, der einst zu den schönsten innerstädtischen Plätzen Europas gewählt wurde. In anderen Städten stehen auf solchen Plätzen schöne Kandelaber, schön geschmiedete Bänke und selbst die Mülleimer sind oftmals stilistisch eingefügt. Bei uns jedoch finden sich schmucklose Glaskugellampen und auch das andere Mobiliar ist von einer öden Einfachheit. Der wunderschöne Schillerplatz, die Geburtsstelle der Stadt, weist moderne Laternen mit Glaszylindern auf. Stuttgart, das ist eine herzogliche und königliche Stadt. Woanders wird das gelebt, hier nicht, weil es weder im Rathaus noch in den Ministerien einen Sinn dafür gibt. Unser letzter König wird als Statue in peinlicher Kleingeistigkeit von einer Ecke in die nächste verschoben. Stuttgart mit seiner adligen Vergangenheit hat zwölf Schlösser, auch wenn aus Grund vor negativem Echo die Monarchen nicht jedes Schloss als solches benannt haben. Ist das jemandem in dieser Stadt bewusst? Unser Königreich war nicht militärisch-invasorisch ausgelegt. In den 112 Jahren wurden dagegen Grundsteine unseres heutigen Wohlstands gelegt und Kulturinstitutionen geschaffen, die heute noch über die Stadtgrenzen hinaus strahlen. Was gibt es da zu verstecken?
Die Stadt muss aus ihrem Kern heraus nach und nach verschönert werden. Im inneren Stadtbereich gibt es mehrere schöne Altstadtflecken, die aber keine Bindung zueinander haben. Hier muss man langfristig architektonische Brücken schlagen, in dem man öde Klötze durch eine altstadttaugliche Bebauung ersetzt, immer dann, wenn etwas abgerissen wird. Das kann durchaus modern sein, aber es muss halt die Geschichte der Stadt widerspiegeln. Das Credo war bisher meist: „So schlicht wie möglich“. Das ist unser größtes Problem, was die Stadtoptik betrifft.
Neben dem Stadtbild ist ein wichtiges und umkämpftes Thema auch der Verkehr. In der Stadt wurden nach dem Krieg teils hässliche Straßenschneisen geschaffen, um dem auf-keimenden Automobil viel Platz einzuräumen. Dafür mussten das Kaufhaus Schocken, die Akademie, das Staatsarchiv und das Kronprinzenpalais weichen, obwohl sie zumindest äußerlich hätten gerettet werden können. Mittlerweile begehren aber Fußgänger und Fahrradfahrer auf und fordern sowohl mehr Raum um sich fortzubewegen, als auch mehr Durchlässigkeit im Straßennetz.
Ich möchte mit diesem Forum einige Denkanstöße geben, die sicher diskutabel sind und auch Widerrede provozieren. Die Stadt braucht jedenfalls eine ordnende Hand, Initiatoren, die auch mal unorthodoxe Wege nutzen, wenn es zum Beispiel drum geht, Eigentümer für eine Quartieridee ins Boot zu holen. Stuttgart hat mehr verdient, als heute in der Verwaltung geliefert wird.